Interview mit dem Direktkandidaten der Piratenpartei Andreas Hahn
Herr Andreas Hahn hat sich freundlicherweise für ein kurzes Email Interview zur Verfügung gestellt. Für alle Leser, die ihn nicht kennen: Er ist der Direktkanidat der Piratenpartei im Wahlkreis Rhein-Neckar. Wer mehr über ihn erfahren möchte der findet hier alles über ihn:
Hier nun unsere Fragen und seine Antworten.
Tobias Schmersow:
“Herr Hahn, Sie haben am 18.7.2013 an einer Podiumsdiskussion in der Elsenztalschule in Bammental teilgenommen. Während meiner Schulzeit wurde unser Stufe bei einer Podiumsdiskussion vorgeworfen wir wären unpolitisch, weil wir darauf bestanden haben, dass unsere Fragen auch wirklich beantwortet werden.
Wie haben Sie das erlebt, ist die Jugend politik- bzw. parteienverdrossen?”
Andreas Hahn:
“Ich empfand die Podiumsdiskussion als sehr bereichernd. Alleine die Tatsache, dass die geplante Bestuhlung nicht ausreichend war und ob des unerwarteten Andrangs provisorisch “angebaut” werden musste zeigt mir das Gegenteil von Politikverdrossenheit. Bei den vielen jungen Menschen, mit denen die ich während des Straßenwahlkampfs gesprochen habe, habe ich fast immer ein politisches Interesse erkannt, welches allerdings jenseits der Parteistrukturen, z.B. in Non-Government-Organizations (NGOs) verwirklicht wird. Eine System- bzw. Parteiverdrossenheit kann ich aus meinen Erfahrungen daher bestätigen, aber keine Politikverdrossenheit. Dies bestärkt mich auch in meiner Überzeugung, dass wir das System ändern müssen – hin zu mehr Bürgerbeteiligung im politischen Prozess.”
Tobias Schmersow:
“Ein Thema der Podiumsdiskussion war PRISM und der NSA Skandal. Die enthüllten Methoden der Geheimdienste nutzen Sicherheitslücken, die seit vielen Jahren bekannt sind, über die z.B. heise.de oder sogar auch wir schon vorher berichtet haben. Wurde hier versäumt Problembewusstsein zu schaffen? Was muss die Politik in Zukunft ändern?”
Andreas Hahn:
“Wir sehen an der Reaktion der Bevölkerung auf den NSA-Skandal, dass er die Menschen nicht erreicht. Zum einen ist das Thema sehr abstrakt, zum andern wirkt die – real existierende! – Gefahr zu konstruiert. Es liegt auch leider überhaupt nicht im Interesse auch nur einer einzigen seit 2001 an einer Regierung beteiligten Partei, ein Problembewusstsein beim Bürger zu schaffen, da sich dieses negativ auf genau diese Parteien auswirken würde – denn sie müssen alle von den Praktiken der Geheimdienste gewusst haben. Es helfen einzig mehr Transparenz und harte Konsequenzen bei geheimdienstlichen Tätigkeiten, wie z.B. Einsicht in ungeschwärzte Unterlagen für das Parlamentarische Kontrollgremium, Offenlegung sämtlicher geheimdienstrelevanter Verträge aus der Nachkriegs- und Wiedervereinigungszeit sowie Meldepflichten für (potenzielle) Gesetzesverstöße mit empfindlicher Strafbewehrung, auch auf Ministerebene.”
Tobias Schmersow:
“Mein Anbieter untersagt mir die mobile Nutzung von openVPN, weil Sie ein eigenes Produkt haben. Dadurch kann ich z.B. VoIP nicht richtig sichern. Die Piraten wollen, unter anderem deswegen, die Debatte zur Netzneutralität anstoßen. Wie sehen Sie Netzneutralität? Wo wollen Sie ansetzen?”
Andreas Hahn:
“Das Internet soll als Infrastruktur dem Nutzer jeglichen Dienst diskriminierungsfrei übertragen. Dazu gehört auch die Nutzung von openVPN – übrigens eine sehr gute Wahl. Wir fordern eine gesetzliche Regelung, dass einzig Nutzer des Endgerätes darüber bestimmt, welche Dienste er über seinen Anschluss betreibt und welche Priorisierungen er dafür festlegt.”
Tobias Schmersow:
“Dieses Netz gehört in vielen Teilen der Telekom AG. Ich stelle bei Kunden leider sehr oft fest, dass diese nicht wissen, dass Dienste wie Email, Telefon und sogar Breitband von anderen Anbietern bezogen werden können. Ist die Privatisierung der Bundespost gescheitert? Gibt es einen Marketingvorsprung? Wo sehen Sie Bedarf nachzubessern?”
Andreas Hahn:
“Der Vorteil der Telekom gegenüber dem Wettbewerb liegt in der “letzten Meile”, insbesondere nun auch durch das VDSL-Vectoring. Dass Mitbewerber größtenteils auf die weniger gut funktionierende Zusammenarbeit mit der Telekom angewiesen sind um ihre Produkte anzubieten, führt zu der zentralen Forderung der Piratenpartei, alle Infrastrukturen – ob Telefon, Wasser/Abwasser, Strom, Gas etc. – in Nutzerhand zu geben. Diese können entweder über die öffentliche Hand oder eine Nutzer-Genossenschaft betrieben werden.”
Tobias Schmersow:
“Mit der Privatisierung kam auch das Telekommunikationsgesetz (TkG), dass z.B. Barbesitzer, die einen WLAN Hot Spot mit Internet zur Verfügung stellen dazu verpflichtet sich bei der Bundesnetzagentur als ISP zu registrieren. Halten Sie eine Novellierung des TkG für sinnvoll bzw. notwendig?”
Andreas Hahn:
“Eine Änderung des TkG in diesem Punkt halte ich für problematisch, da mit der Bereitstellung eines Internetzugangs auch dem Fernmeldegeheimnis, welches durch das TkG ausgestaltet wird, eine zentrale Bedeutung zukommt. Einem kostenlosen WLAN steht vielmehr die vom BGH ausgesprochene Störerhaftung entgegen. Hier strebt die Piratenpartei als Lösung eine Änderung des Telemediengesetzes an (http://www.piratenpartei.de/2012/06/27/piraten-unterstutzen-gesetzesentwurf-der-digitalen-gesellschaft-fur-ein-offenes-netz/).”
Tobias Schmersow:
“Gestatten Sie noch eine Frage zur Wirtschaftspolitik.
Oft erhalten wir die Anfrage (von Privatkunden): „Geht das nicht ohne Rechnung, mit MwSt. wird das so teuer?“. Auch viele Volkswirte sind der Ansicht, entweder hohe Einkommensteuer oder hohe indirekte Steuer (z.B. MwSt.). In Deutschland haben wir beides. Ist das in einer konsumorientierten Marktwirtschaft Ziel führend? Wozu tendieren Sie?”
Andreas Hahn:
“Ich persönlich tendiere zu einer reinen Konsumsteuer. Jedes Konsumgut in den Regalen hat bereits heute einen durchschnittlichen Gesamtsteueranteil von ca. 50%, stattdessen eine direkte Umsatzsteuer von 50% zu erheben würde das Steuersystem bei gleichbleibenden Einnahmen radikal vereinfachen. Die Realisierung ist allerdings eine europäische, wenn nicht globale Aufgabe, da wir einen grenzüberschreitenden Handel haben.”
Tobias Schmersow:
“Eine letzte Frage. Ich mache mir Sorgen, dass sich unsere Katze mit einem Wombat nicht versteht. Wäre ein Wombat im Falle eines Erfolgs der Piraten für alle Haushalte verpflichtend?”
(Anm.d.Red.: Für alle, die nicht wissen was diese Frage bezweckt, hier gibt es mehr Infos.)
Andreas Hahn:
“Nein. Da dieses Wahlversprechen in etwa so realistisch ist wie die von einer anderen Kleinpartei stetig propagierte Abschaffung des Solidaritätszuschlags würde ich mir hier keine allzu großen Sorgen machen.”
Tobias Schmersow:
“Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen noch weiterhin viel Erfolg mit Ihrer politischen Karriere und sind gespannt auf das Ergebnis der Bundestagswahl am Sonntag.”
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